628. Nach einer prüfung kurzer tage

1 Noch einer prüfung kurze tage,
Erwartet uns die ewigkeit.
Dort, dort verwandelt sich die klage
In göttliche zufriedenheit.
Hier ubt die tugend ihren fleiß,
Und jene welt reicht ihr den preiß.

2 Wahr ists, der fromme schmeckt auf erden
Schon manchen sel'gen augenblick;
Doch alle freuden, die ihm werden,
Sind ihm ein unvollkomm'nes glück,
Er bleibt ein mensch,und seine ruh
Nimt in der seele ab und zu.

3 Bald stören ihn des körpers schmerzen,
Bald das geräusche dieser welt;
Bald kämpft in seinem eignen herzen
Ein feind der öfter siegt, als fällt;
Bald sinkt er durch des nächsten schuld
In kummer und in ungeduld.

4 Hier, wo die tugend öfters leidet,
Das laster öfters glücklich ist,
Wo man den gl¨cklichen beneidet,
Und des bekümmerten vergißt;
Hier kan der mensch nie frey von pein,
Nie frey von eigner schwachheit seyn.

5 Hier such ichs nur, dort werd ichs finden;
Dort werd ich, heilig und verklärt,
Er tugend ganzen werth empfinden,
Den unaussprechlich grossen werth;
Den Gott der liebe werd ich sehn,
Ihn lieben, ewig ihn erhöhn.

6 Da wird der vorsicht heil'ger wille
Mein will und meine wohlfahrt seyn;
Und lieblich wesen, heil die fülle,
Am throne Gottes mich erfreun.
Dann läßt gewinn stets auf gewinn
Mich fühlen, daß ich ewig bin.

7 Da werd ich das im licht erkennen,
Was ich auf erden dunkel sah,
Das wunderbar und heilig nenne,
Was unerforschlich hier geschah;
Da denkt meine geist mit preis und dank
Dis schickung im zusammenhang.

8 Da werd ich zu dem throne dringen,
Wo Gott, mein heil sich offenbart;
Ein heilig, heilig, heilig, singen
Dem Lamme, das erwürget ward;
Und cherubim, und seraphim,
Und alle himmel jauchzen ihm.

9 Da werd ich in der engel schaaren
Mich ihnen gleich und hilig sehn,
Das nie gestörte glück erfahren
Mit frommen stets fromm umzugehn.
Da wird durch jeden augenblick
Ihr heil mein heil, mein glück ihr glück.

10 Da werd ich dem den dank bezahlen,
Der Gottes weg mich gehen hieß,
Und ihn zu millionen-malen
Noch segnen daß er mir ihn wies.
Da sind ich in des Höchsten hand
Den freund, den ich auf erden fand.

11 Da ruft, o möchte Gott es geben!
Vielleicht auch mir ein sel'ger zu:
Hile sey dir! denn du hast mein leben,
Die seele mir gerattet; du!
O Gott, wie muß dis glück erfreun,
Der retter einer seele seyn?

12 Was seyd ihr, leiden dieser erden,
Doch gegen jene herrlickeit,
die offenbart an uns soll werden,
Von ewigkeit zu ewigkeit?
Wie nichts, wie gar nichts gegen sie,
Ist doch ein augenblick voll müh!

Text Information
First Line: Nach einer prüfung kurzer tage
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Vom Himmel und ewigen Leben; Heaven and Eternal Life
Notes: Mel. Wer nur den leiben G.
Tune Information
(No tune information)



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