259. Mein Heiland nimt die Sünder an

1 Mein Heiland nimt die sünder an,
Die unter ihrer last der sünden
Kein mensch, kein engel trösten kan,
Die nirgends ruh und rettung finden:
Den'n selbst die weite welt zu klein,
Die sich und Gott ein greuel seyn,
Den'n Moses schon den stab gebrochen,
Und sie der hölle zugesprochen,
Wird diese freistatt aufgethan;
Mein Heiland nimt die sünder an.

2 Sein mehr als mütterliches herz
Trieb ihn von seinem thron auf erden:
Ihn drang der sünder weh und schmerz,
An ihrer statt ein fluch zu werden:
Er senkte sich in ihre noth,
Und schmeckte den verdienten tod;
Nun da er denn sein eigen leben
Zur theuren zahlung hingegeben,
Und seinem vater gnug gethan;
So heißts: er nimt die sünder an.

3 Nun ist sein aufgethaner schooß
Ein sichres schloß gejagter seelen:
Er spricht sie von dein urtheil los,
Und tilget bald ihr ängstlich quälen:
Es wird ihr ganzes sündenheer
Ins unergründlich tiefe meer
Von seinem reinen blut versenket.
Der Geist, der ihnen wird geschenket,
Schwingt über sie die gnadenfahn.
Mein Heiland nimt die sünder an.

4 So bringt er sie dem Vater hin,
In seinen blut befloßnen armen,
Das neiget denn den Vatersinn
Zu lauter ewigem erbarmen:
Er nimt sie an an kindes statt;
Ja alles, was er ist und hat,
Wird ihnen eigen übergeben;
Und selbst die thür zum ew'gen leben
Wird ihnen frölich aufgethan.
Mein Heiland nimt die sünder an.

5 O! soltest du sein herze sehn,
Wie sichs nach armen sündern sehnet;
So wohl wenn sie noch irre gehn,
Als wenn ihr auge vor ihm thränet.
Wie streckt er sich nach zöllnern aus?
Wie eilt er in Zachäi haus?
Wie sanft stillt er der Magdalenen
Den milden fluß erpreßter thränen?
Und denkt nicht, was sie sonst gethan.
Mein Heiland nimt die sünder an.

6 Wie freundlich blickt er Petrum an!
Ob er gleich noch so tief gefallen.
Nun, dis hat er nicht nur gethan
Da er auf erden mußte wallen:
Nein, er ist immer einerley;
Gerecht und fromm und ewig treu;
Und wie er unter schmach und leiden,
So ist er auf dem thron der freuden
Den sündern liebreich zugethan.
Mein Heiland nimt die sünder an.

7 So komme denn, wer sünder heißt,
Und wen sein sündengreul betrübet,
Zu dem der keinen von sich weißt,
Der sich gebeugt zu ihm begiebet.
Wie? Wilst du dir im lichte stehn?
Und ohne noth verloren gehn?
Wilst du der sünden länger dienen?
Da dich zu retten er erschienen?
O nein, verlaß die sündenbahn.
Mein Heiland nimt die sünder an.

8 Komm nur mühselig und gebückt,
Komm nur so gut du weißt zu kommen;
Wenn gleich die last dich niederdrückt,
Du wirst auch kriechend angenommen.
Sieh, wie sein herz dir offen steht,
Und wie er dir entgegen geht!
Wie lang hat er mit vielem flehen
Sich brünstig nach dir umgesehen?
So komm denn, armer wurm, heran,
Mein Heiland nimt die sünder an.

9 Sprich nicht: ich habs zu grob gemacht!
Ich hab die güter seiner gnaden
So lang und schändlich umgebracht!
Er hat mich oft umsonst geladen;
Wofern du's nur jetzt redlich meynst,
Und deinen fall mit ernst beweinst;
So soll ihm nichts die hände binden;
Nein du solst heil und gnade finden,
Weil der dir helfen will und kan.
Mein Heiland nimt die sünder an.

10 Doch sprich auch nicht: es ist noch zeit,
Ich muß erst diese lust genießen;
Gott wird ja eben nicht gleich heut
Die offne gnaden-pforte schließen.
Nein, weil er ruft, so höre du,
Und greif mit beyden händen zu:
Wer seiner seelen heil verträumet;
Der hat die gnadenzeit versäumet;
Ihm wird hernach nicht aufgethan.
Heut komm, heut nimmt dich Jesus an.

11 Ja, zieh uns selbsten recht zu dir,
Holdselig süsser freund der sünder;
Erfüll mit sehnender begier
Auch uns und alle Adams kinder.
Zeig uns bey unserm seelenschmerz,
Dein aufgespaltnes liebesherz;
Und wenn wir unser elend sehen,
So laß uns ja nicht stille stehen,
Bis daß ein jeder sagen kan:
Gott lob, auch mich nimt Jesus an!

Text Information
First Line: Mein Heiland nimt die Sünder an
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von der wahren Busse und Bekehrung; True Repentance and Conversion
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