147. O Gott, du Tiefe sonder grund!

1 O Gott, du tiefe sonder grund!
Wie kan ich dich zur gnüge kennen?
Du grosse höh!
Wie soll mein mund
Dich nach den eigenschaften nennen?
Du bist ein unbegreislich meer,
Ich senke mich in dein erbarmen,
Mein herz ist rechter weißheit leer,
Umfasse mich mit deinen armen,
Ich stellte dich zwar mir
Und andern gerne für,
Doch werd ich meiner schwachkeit innen:
Weil alles was du bist,
Nur end und anfang ist,
Verlier ich drüber alle sinnen.

2 Dien ursprung ist die ewigkeit,
Die niemals mit der angefangen,
Du warst vor aller welt und zeit,
Und eh die schöpfung angegangen;
An dir ist unaussprechlich viel,
Und was du hast, wird nicht genedet,
Dein hohes alter aht kein zeil,
Das deiner jahre lauf vollendet;
Verändrung trift dich nicht,
Dieweil dir nichts gebricht;
Du bist ein unaufhörlich leben:
Was lebet und sich regt,
Das wird von dir bewegt,
Du hast ihm dazu kraft gegeben.

3 Es rührt von deiner allmacht her,
Aus welcher alle ding ertstanden,
Kein enziger komt ohngefähr,
Wärst du nicht, so wär nichts vorhanden;
Was unser aug und ohr begrüßt,
Wovon wir wissen oder lesen,
Was sichtbar und unsichtbar ist,
Das alles hat von dir sein wesen.
Du thust was du beschleußt,
Und was unmöglich heißt
Ist das geringste deiner werke:
Du bist nur dir bekant,
Dein göttlicher verstand
Und weisheit glaichet deiner stärke.

4 Der himmel ist dein thron und sitz,
Und du regierest auch auf erden,
Vor dir muß aller menschen witz
Als unvernunft beschämet werden.
Worauf man die gedanken stellt,
Ist dir entdeckt und unverborgen,
Was finsterniß beschlossen hält,
Das siebst du wie am hellen morgen:
du wohnst in einem licht,
Das hat kein dunkles nicht.
Noch mit dem schatten was gemeines:
Kein könig ist die gleich,
Dein allgewaltig reich
Ist oben und hier unten eines.

5 Du einiger und wahrer Gott,
Du herrscher aller himmels-schaaren!
Dir götter sind vor dir ein sport,
Und scheuen alle dein verfahren;
Vor dir erhebt der engel chor,
Sie schlagen aug und ertlitz neider,
So schrecklick kommst du ihnen vor,
Und davon schallen ihre lieder.
Die creatur erstarrt
Für deiner gegenwart,
Damit ist alle welt erfüllet;
Und dieses üauss're weist,
Unwadelbarer Geist!
Ein bild worein du dich verhüllet.

6 Dich schliessen keine grenzen ein,
Und wenn gleich tausend welten waren,
So wären sie vor dich zu klein,
Und nur wie zeichen deiner ehren;
Du streckest dich unendlich weit,
Und übersteigest alle sterne,
Deins namens lob und herrlichkeit
Gereichet eine solche ferne,
Drauf niemand denken kan:
Dich betet alles an,
Und muß sich unterthänigst bücken;
Und wer in zuversicht
Die seine noth bericht't,
Dem hilfest du mit deinen blicken.

7 Bey dir ist kluger rath die that,
Gerechtes recht in dem gerichte,
Vollkommenheit im höchsten grab,
Geduld vor deinem angesichte,
Barmherzigkeit und grosse treu.
Viel gnad und unermeßne liebe
Wird alle morgen bey uns neu;
So handelst du aus eignem triebe.
Ein jeder augenblick
Ist deiner wohithat stück,
Darin wie deine huld geniessen:
Dis allein was wir seyn,
Muß immer und allein
Aus die als einem brunne fliessen.

8 O Vater! welcher alles zeugt,
Du allerhöchstes gut und güte!
Von dem es zu uns abwärts steigt,
Du gibst uns des gedeyens blüthe,
Und den geschöpfen unterhalt,
Nach eines jeden art und weise:
Dein segen macht sie wohlgestalt,
Du füllest sie mit freud und speise,
Bist keines menschen feind,
Und deine sonne schein:
So über formm' als ungerechte;
Dein milder regen füallt,
In dieser ganzen welt,
Auf alle völker und geschlechte.

9 Vermag dir jemand auch dafür,
Mit mund und herzen recht zu danken?
In keinen tempeln whonst du hier,
Dein dienst hat nicht gewisse schranken;
Was menschen für dich aufgebaut,
Darinn wird deiner nicht gepfleget,
Du liebest den, der dir vertraut,
Und sich zu deine füssen leget:
Was er dir leisten soll,
Das thut ihm selber wohl;
Dann du bedarfst nicht seiner gaben,
Statt dessen wendest du
Ihm heil und lebe zu,
Und kanst von niemand erwas haben.

10 Du lohnest noch dem, der dich ehrt,
Und bist ein feuer deiner feinde,
Das ihre seel und leigb verzerht,
Dagegen labst du deine freunde.
Dein lob vermelden immerdar
Die Cherubim und Seraphinen,
Wo dir der ält'sten graue schaar
In demuts auf dem knien dienen;
Dann dein ist kraft und ruhm,
Das reich und heilig thum,
Da mich entsetzen mir enreisset:
Bey dir ist majestät,
Die über alles geht,
Und heilig, heilig, hielig, heisset.

Text Information
First Line: O Gott, du Tiefe sonder grund!
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von der Heiligen Dreyeinigkeit; Holy Trinity
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