640. Freu dich sehr, o meine Seele

1 Freu dich sehr, o meine Seele,
und vergiß der Noth und Qual,
Dweil dich nun Christus,
ruft aus diesem Jammerthal;
aus Trübsal und großem Leid
sollst du fahren indie Freud,
die keinOhr jemals gehöret
und in Ewigkeit auch währet.

2 Tag und Nacht hab ich gerufen
zu dem Herren, meinem Gott,
weil mich stets viel Kreuz betroffen,
daß er mir hülf aus der Noth.
Wie sich sehnt ein Wandersmann,
daß sein Weg ein End mög han,
so hab ich gewünschet eben,
daß sich enden mög meine Leben.

3 Denn glich wie die Rosen stehen
unter Dornen spitzig gar,
also auch die Christen gehen
in lauter Angst und Gefahr;
wie die Meereswellen sind
und der ungestüme Wind,
also ist allhier auf Erden
unser Lauf voller Beschwerden.

4 Welt, Tod, Teufel, Sünd und Hölle,
unser eigen Fleisch und Blut
plagen stets heir unsre Seele,
lassen uns bei keinem Muth;
wir sind voller Angst und Plag,
lauter Kreuz sind unsre Tag:
wenn wir nur geboren werden,
findt sich Jammer gnug auf Erden.

5 Wenn die Morgenröth herleuchtet
und der Schlaf sich von uns wendt,
Sorg und Kummer daher streichet.
Müh findt sich an allem End.
Unsre Thränen sind das Brod,
so wir essen früh und spat.
Wenn die sonn nicht mehr thut scheinen,
ist nur lauter Klag und Weinen.

6 Drum, Herr Christ, du Morgensterne,
der du ewiglich aufgehst,
sei von mir jetzund nicht ferne,
weil mich dein Blut hat erlöst:
Hilf, daß ich mit Fried und Freud,
mög von hinnen fahren heut;
ach sei du mein Licht und Straße,
mich mit Beistand nicht verlasse!

7 In dich Seite will ich fliehen
an mein'm bittern Todesgang,
durch dein wunden will ich ziehen
ins himmlische Vaterland;
in das schöne Paradeis,
drein der Schächer that sein Reis
wirst du mich, Herr Christ, einführen
und mit ewger Klarheit zieren.

8 Ob mir schon die Augen brechen,
das Gehöre gar verschwindt,
meine Zung nicht mehr kann sprechen,
der Verstand sich nicht besinnt;
bist du doch mein Licht und Hort
Lebensweg und Himmelspfort;
du wirst mich in Gnad regieren,
auf der rechten Bahn heimführen.

9 Laß dein Engel mit mir fahren
auf Elias Wagen roth,
meine Seele wohl bewahren,
wie Lazrum nach seinem Tod;
laß sie ruhn in deinem Schooß,
erfüll sie mit Freud und Trost,
bis der Leib kommt aus der Erden
und sie beid vereinigt werden.

10 Freu dich sehr, o meine Seele,
und vergiß all Noth und Qual,
weil dich nun Christus, dein Herre,
ruft aus diesem Jammerthal;
seine Freud und Herrlichkeit
sollst du sehn in Ewigkeit,
mit den Englen jubiliren,
und dort ewig triumphiren.

Text Information
First Line: Freu dich sehr, o meine Seele
Author: S. Graf, 1607-1659
Language: German
Publication Date: 1872
Topic: Sterbe- und Begräbnißlieder; Death and Funeral Songs
Notes: Mel. Freu dich sehr, o meine Seele
Tune Information
(No tune information)



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