20. Unverfälschtes Christenthum, ach!

1 Unverfälschtes Christenthum, ach!
wie bist du doch so selten!
will dein hochgepries'ner Ruhm
nicht mehr auf der Erden gelten?
ist den Gold so dunkel woroden
unter uns'rer Christen Orden?

2 Christen find zwar ohne Zahl
auf der Erden-kreis zu finden:
wo der güldne Sonnen-strahl
nur sein Licht weiß anzuzünden,
müssen auch die Christen-heerden
stets davon beschienen werden.

3 Aber, ach! die Christenheit
führet, leider! nur den Namen:
es ist sparsam ausgestreut
wahrer Gottes-Kinder Saamen:
derer Zahl, die Christum leiben,
ist gewiß sehr klein geblieben.

4 Liebster Jesu! der du mich
selber durch dein Blut erkaufet,
und auf dessen Namen ich,
als ein Christe, bin getaufet,
und auf dessen Namen ich,
laß mich deinen Geist regieren,
solchen Namen recht zu führen.

5 Laß mich meiner Taufe Bund
ernstlich immerdar betrachten:
laß mich doch von Herzens-Grund
Satan, Welt und Fleisch verachten:
laß hingegen stets mich üben,
Gott und Menschen recht zu lieben.

6 Laß mich auf dem schmalen Weg
durch die enge Pforte gehen:
laß auf deines Wortes Steg
einig meine Augen sehen.
Gib Gedult im Creutz und Leiden,
daß sie nie mich von dir scheiden.

7 Komm, vermähle selber dich,
liebster Heiland1 meiner Seelen;
gönne, daß ich süßiglich
dich zu meiner Lust mag wählen:
gib, daß keine Trübsals-Fluthen
löschen uns'rer Liebe Gluthen.

8 Laß mich hier in dieser Welt
als ein wahrer Christe leben,
und sodenn, wenn dir's gefällt,
christlich meinen Geist afugeben,
auch im Himmel zu den Frommen
und den wahren Christen kommen.

9 Ehre, Glücke, Kunst und Thun
laß ich diser Welt dahinten:
aber nur mein Christenthum
werde ich dort wieder finden,
wo mit schönen Ehren-Kronen
Gott will wahren Christen lohnen.

Text Information
First Line: Unverfälschtes Christenthum, ach!
Language: German
Publication Date: 1792
Tune Information
(No tune information)



Suggestions or corrections? Contact us